Holzschnitt 1510
    
Niklaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Bonifatius Simoneta
  
Quelle Nr. 056

  

  
Zeit: vor 1491
  
Herkunft: Illuminierter Folioband der Bongars’schen Sammlung in der Stadtbibliothek Bern (Hain 14750) – Liber tertius. Epistola trigesimaquinta, Fol. Liii v un Liiii.
  
Kommentar: Bonifatius Simontet aus Apulien war Abt des Klosters Cornu (Zisterzienserkloster S. Stefano in Corno, Diözese Lodi). In seinem Ehrgeiz verfasste er ein Geschichtswerk über die Christenverfolgungen und die frühen Päpste, mit eingeflochtenen Briefen an verschiedene Adressaten, meist über naturwissenschaftliche und philosophische Themen. Der im Text erwähnte, sich noch in guter Gesundheit befindende Kardinal Marco Barbo starb im Frühjahr 1491. Deshalb kann angenommen werden, dass die vorliegende Schrift früher entstanden sein muss. Simoneta weiss über Bruder Klaus nur vom Hörensagen. Die Angaben über ihn stimmen im wesentlichen, nicht jedoch die über Bruder Ulrich im Mösli, der keine Pfirsichkerne ass (woher sollte er sie auch gehabt haben?), sondern Brot und Wasser.
  
Referenz: Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 485–489

  

   (Der fünfundreissigste Brief handelt von dem Ertragen des Fastens, von der Betrachtung und vom Herzklopfen.)
  
Bonifaz Symoneta, Abt von Cornu, wünscht Nicolaus Palmeri, dem glänzenden Kenner der Künste und der Heilkunde, Glück.
  
Da geschrieben steht, dass Hungern den Magen mit schlechten Säften fülle, so verbietest Du mir zu fasten; da ich den ganzen Tag nur einmal esse, glauben Du und andere sich verwundern zu müssen. Zu jeglicher Stärkung der Geisteskraft habe ich nichts Nützlicheres gefunden als diese Gewohnheit und ich ringe auch nicht allein in solcher Enthaltsamkeit; am römischen Hofe tun es mir viele nach. Markus [Marco Barbo], der Kardinal von Venedig, ein durch Frömmigkeit, Geistesgaben und Heiligkeit hervorragender Mann und schon ein Greis - die Greise ermahnen wir ja gut zu leben und sich häufig zu stärken –, befindet sich wohl bei solcher Mässigkeit, und viele andere an jenem römischen Hofe essen auch nur einmal im Tage. In Piacenza gewöhnte sich Johannes von Poma, der der beste Priester unter meinen Hausgenossen war, nachdem er vorher ein Säufer gewesen war, so an die Art meiner Abstinenz, dass, wenn er zweimal speiste, er es mit Schmerzen büssen musste. Die hungergewohnten Skythen schnürten den Leib mit Riemen, damit sie die Leere [des Magens] besser ertragen. Die Einengung des Bauches befördert, wie ich selbst erprobte, die Enthaltsamkeit. Die Sarmaten, die jenseits des Boristhenes wohnen, essen, wie geschrieben wird, nur jeden dritten Tag. Einige dieser Skythenstämme reiten durch völlig leere Wüsten und saugen das Blut aus den angezapften Adern ihrer Rosse. Die Sarmaten, die lange Züge unternehmen wollen, bereiten durch Fasten die Pferde vor, indem sie ihnen vorher nur wenig zu trinken geben; dann können sie, wie man erzählt, fünfzig oder hundert Meilen in beinahe ununterbrochenem Ritte im Sattel bleiben. Albertus, durch den Vollbesitz der Wissenschaften der Grosse [Albert der Grosse] geheissen, berichtet, dass er zu Köln eine Frau gesehen, die dreissig Tage lang hungerte, und er fügte bei, dass ein schwermütiger Mann häufig sieben Wochen lang ohne Speise und Wein, einzig mit einem Becher kalten Wassers zufrieden, sich einschloss. Es gibt noch weitere Beispiele von solchen, die längere Zeit fasteten, hauptsächlich von Einsiedlern. Petrus Aponensis oder von Hebano, der in verschiedenen Wissenszweigen hocherfahren, sagt: Nicht wenig muss man sich verwundern, wenn von Glaubwurdigen versichert wird, dass in Allemannien eine schon dreissigjährige Jungfrau gefunden wird, welche achtzehn Jahre lang nichts gegessen hat. Der Kuriale Poggio erzählt als Augenzeuge: ein gewisser Jakob, ein Franzose, begab sich zur Zeit Papst Eugens (IV.) von der päpstlichen Kurie weg in die Heimat und verfiel dort in eine schwere lange Krankheit. Im sechsten Pontifikatsjahr Nikolaus (V.) kehrte er nackt und arm, von Strassenräubern ausgeplündert, zurück. Er ging bei den Grossen des Hofes, mit denen er vorher bekannt gewesen war, aus und ein. Dieser trank und ass während zweier Jahre nichts, aber er kam nicht plötzlich, sondern allmählich zu dieser Gewohnheit. Als alle, die zu ihm kamen, sich verwunderten, wunderte er sich gleichfalls, aber er hoffle zur früheren Lebensgewohnheit zurück zuzukommen. Poggio sagt, dass er ein sehr dürrer Mann war, ein Priester und bei gesunden Sinnen, der immer sein Brerier betete und die Messe hörte, und da viele meinten, es sei gegen die Natur, argwöhnten sie, sein Körper sei vom bösen Geiste besessen. Allein in diesem finden sich keine Zeichen dämonischer Einwirkung, sondern eines gescheiten und frommen Mannes, der seinen Schreibarbeiten obliegt. Poggio findet es wunderbar, sagt aber, indem er es bezeugt, dass sich damit andere Annalenberichte vergleichen liessen. Zur Zeit Kaiser Lothars enthielt ein zwölfjähriges Mädchen im Dorfe Cambray sich nach der österlichen Kommunion zunächst zehn Monate lang vom Brotgenusse, dann überhaupt während dreier Jahre von Speise und Trank, kehrte aber darauf zum frühern Leben zurück. In Cremona ass ein Mädchen, vom Altarssakrament gesättigt, nur mehr, wenn es der bischöfliche Vikar dazu nötigte. Spinelli, der Generalvikar, hat mir, Bonifatius, erzählt, dass er diese jede Nahrung zurückweisende Jungfrau, damit sie nicht verhungere, fortwährend habe zwingen müssen [zu essen]. Ein rechtschaffener Mailänder, Donatus genannt, der durch die weite Welt oft nach Edelsteinen reiste, hat den vorgenannten Beispielen noch zwei wunderbarere beigefügt: in Deutschland nämlich lebt zu unserer Zeit ein Einsiedler [Bruder Klaus], in eine Höhle unter strengster Beobachtung eingeschlossen, nunmehr schon zwanzig Jahre ohne zu essen, während, wie nicht weit von diesem ein anderer [Bruder Ulrich] nur jeden Tag drei winzige Kerne von Pfirsichsteinen isst.
  
Mein Nikolaus. Der durch Güte, Frömmigkeit und Gemütsruhe hervorragende Papst Melchiades hat in seinen Taten die Vorzüglichkeit seiner Lebensauffassung gezeigt. Vertrauen und Hoffnung und freudig erhebende Gedanken erhalten nicht nur die Herzensstärke, sondern auch das Gleichgewicht der Seele. Jene aber, die sich in Sorgen und Aufregungen verzehren, verraten durch ihre Hitze die Ausschreitung; Betrachtungen, die auf Furcht und Traurigkeit gerichtet sind, zeigen die Schwäche des Herzens. Aus dem Klopfen des Herzens können wir aber nicht die Anzeichen dieser Gemütsverfassung erkennen, weil, wenn das Herz von grosser Empfindlichkeit ist, aus Nachsinnen, aus Ausdünstung, aus Furcht und aus andern Ursachen Herzklopfen bei einigen hervorgerufen werden kann.
    
  
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