Holzschnitt 1510
    
Niklaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Der «nasse Zehnte»
  
Quelle Nr. 001

  

  
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Zeit: 17. Februar 1457
  
Herkunft: a) Urkunde auf Pergament – Sachsler Gemeindelade; – b) Abschrift Eichhorns in der Sammelhandschrift in der Nationalbibliothek in Neapel XIII. AA. 35,fol. 4v–5r (alte Pag. 2–3 – von Pater Thomas Käppeli OP 1948 wiederentdeckt)
  
Kommentar: Klaus von Flüe [Niklaus von Flüe] vertritt in einem Gerichtsprozess seine Gemeinde gegen den Pfarrer von Sachseln um den nassen Zehnten. Der Begriff deutet hin auf die Steuerabgabe von Erträgen der Obstbäume. Der im Text erwähnten Kaspar Helwig war ein Sachse aus der Diözese Kolocza in Siebenbürgen. – Die Pfarrpfründe in Sachseln war während vielen Jahren unbesetzt wegen eines Streites um die Kollaturrechte (Besetzung der Pfarrpfründe), die früher die Herzöge von Österreich innehatten. Ab 1415 beharrten die Obwaldner selbst auf die Wahrnehmung dieser Rechte, die ihnen dann am 13. August 1434 von Kaiser Sigmund auch gemäss Reichsrecht übertragen wurden. Die österreichischen Herzöge lenkten jedoch nicht ein. Bis schliesslich Bischof Heinrich von Konstanz auf eigene Initiative am 30. Mai 1446 Kaspar Helwig als Pfarrer einsetzte. Dieser beharrte nun auf einem alten und nicht klar umschriebenen Recht, von allen Erträgen von Obstbäumen in der Gemeinde Sachseln eine Abgabe zu fordern. In Wahrheit wäre dies nur möglich gewesen in Bezug auf das Gut eines Wernhers, so wie es in einem alten Messbuch festgeschrieben war. Was genau aus diesem Gut geworden ist, blieb völlig im Unklaren. Die Obrigkeit nahm den Pfarrer Helwig im Rathaus von Sarnen gefangen, und auf Intervention der Pfarrer von Sarnen und Kerns (Oswald Isner [Issner, Yssner]) sowie des Dekans gab Helwig seine Demission bekannt. – Sein Nachfolger Hans Knaber wollte wiederum die Abgabe einfordern. Als ihm dies jedoch nicht gelang, klagte er vor dem einheimischen Gericht der Fünfzehn. Im Prozess vertrat Niklaus von Flüe die Kirchgenossen von Sachseln. Das Urteil fiel zu Gunsten der Kirchgemeinde aus.
     Eine geistliche Person vor ein weltliches Gericht zu bringen, war nicht erlaubt. In diesem Fall war es jedoch der Pfarrer, Hans Knaber, der die Klage vorbrachte. Wie verhielt es sich aber mit seinem Vorgänger, Kaspar Helwig? Er wurde gewaltsam festgenommen und verzichtete dann auf sein Amt. Was er weiter in dieser Sache unternahm, ist nichts bekannt. Hatte nun aber das Vorgehen der Leute von Sachseln gegen Helwig kirchenrechtliche Folgen? – Nach der Niederlage vor Gericht zog Hans Knaber bald (vermutlich noch 1457) aus Sachseln weg. Sein Vorgänger, Kaspar Helwig, hatte ziemlich sicher bereits vorher (1455) dem Bischof von Konstanz über das Geschehen, über seine Verhaftung, Anzeige erstattet. Der Bischof reagierte mit dem Interdikt, d.h. es wurde verboten, in der Pfarrkirche von Sachseln die Messe zu lesen oder sonstwie Sakramente zu spenden. Über dieses Interdikt konnte bisher zwar kein Dokument aufgefunden werden, hingegen über eine Rekonziliation (reconciliatio = Wiederherstellung, Versöhnung) und damit Verbunden einer Neueinweihung am 30. August 1459. Dieser Vorgang wurde im alten, nicht mehr auffindbaren Jahrzeitenbuch von Sachseln notiert und von Eichhorn abgeschrieben. Eine Rekonziliation findet statt nach einem Interdikt, nach einer Schändung der Kirche oder bei einer grösseren baulichen Erweiterung. Letztere beiden Möglichkeiten scheiden jedoch aus: erstens ist über derartige Vorfälle nichts bekannt, zweitens ist im Dokument ausdrücklich die Rede davon, dass nicht nur die Kirche sondern auch der Friedhof rekonziliert wurde, was eindeutig auf ein Interdikt schliessen lässt.
  
Nun sollte man sich vielleicht noch nach der Begriffsentstehung fragen. Was ist denn hier das «Nasse»? – Wie kann man den Überschuss an Kirschen, Zwetschgen, Birnen und Äpfel konservieren? Zwetschgen, Birnen und Apfelschnitze konnte man schon im Mittelalter dörren. Aus Äpfel und Birnen konnte man Most herauspressen, der schliesslich zu Apfelwein vergor. Den Abfall nach dem Pressen, den Trester, konnte man bereits damals nochmals verwerten in Form von Obstbranntwein, im Dialekt «Träsch» (je nach Gegend auch: «Obstler») genannt – auch brauchbar zum Anstellen von diversen Früchten, Beeren, Kräutern und Nüssen, woraus dann Liköre entstanden. Kirschen konnte man nicht einfach konservieren, ausser eben als Kirschwasser (Kirschbranntwein), usw. War also der «nasse Zehnte» eine Alkoholsteuer?
  
Referenz: a) Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 10–12; b) Rupert Amschwand, Ergänzungsband, 174–175

  

   a)
[Gerichtsurteil, 17. Februar 1457] Wir, der Ammann und die Fünfzehn des Geschworenengerichts von Unterwalden ob dem Wald, machen den Betroffenen mit diesem Brief kund, dass vor uns erschienen sind: der ehrbare Herr Hans Knaber, Pfarrer von Sachseln, die eine Partei, ferner Klaus von Flüe [Niklaus von Flüe] und Erni Rohrer im Namen und im Auftrag der Kirchgenossen von Sachseln, die andere Partei. Beide Parteien wurden angehört. Dabei eröffnete Herr Hans Knaber, Pfarrer, wie oben erwähnt, es habe sich so ergeben, dass Herr Kaspar Helwig, sein Vorgänger, der erst vor kurzem seinen Rücktritt nahm, umherzog und den herrschaftlichen Landvögten nachgereist sei, welche die Kirchengüter als Lehen geben konnten. Er habe nun ein Lehen erworben und sei mit seiner Urkunde zum gnädigen Herrn von Konstanz gegangen, der ihn daraufhin zum Pfarrer [von Sachseln] ernannte […] Es gab hier früher einmal einen nassen Zehnten, den forderte nun Herr Kaspar Helwig, denn er behauptete, er habe in einem Messbuch oder sonstwo darüber erfahren, und er meinte, diesen nassen Zehnten inskünftig wieder fordern zu können. Doch die Gegenseite versuchte ihn zu überzeugen, dass sie das Recht dazu dem Vogt von Hunwil abgekauft hätten, es sei ihm hierfür eine Alp gegeben worden. Er merkte jedoch, dass sie darüber keine volle Gewissheit hatten. Er meinte darum, so wie ich es vernommen habe, das Volk schulde dem Gotteshaus den nassen Zehnten, und er habe dieses Recht durchgesetzt. Dem widersprachen die Kirchgenossen von Sachseln, namentlich Klaus von Flüe und Erni Rohrer, nach vorhergehender Beratung. Sie sprachen, es sei wohl wahr, dass Herr Hans, ihr Pfarrer, ihnen eröffnet habe, er sei jetzt ihr Pfarrer geworden, sie hätten aber von ihren Vorfahren nie vernommen, dass diese jemals den nassen Zehnten geben mussten oder ihn gegeben hätten. […] Es stand wohl in einem [ur]alten Messbuch, dass einmal ein Wernher von Sachseln von all seinen Bäumen den zehnten Teil der Kirche schenkte. Dies haben wir ihm [dem Pfarrer Hans Knaber] auch vorgelesen, als er nach den ehemaligen Gütern dieses Wernher fragte und, welche Bäume darauf stünden. Von diesen Bäumen, seien sie jung oder alt, soll er auch das Recht auf den Zehnten haben. Er soll dies herausfinden und sie oder andere danach fragen, dann kann er so viel haben, wie er nachweisen kann. Weil er es aber nicht nachweisen kann, hätten sie nun jedoch das Recht, nachträglich ihm das nachzuweisen, was sie als Wahrheit darüber wüssten. Danach traten Heini [Heinrich von Flüe] von Flüe [der Vater von Klaus], Peter von Bachtal [Peter Bachtaler], Heini von Steinen und Peter Wilhelm [alles bereits betagte Männer] vor und leisteten in Treu und Glaube ihren Eid darauf, feierlich, mit erhobener Hand, vor Gott und den Heiligen, darauf, was nachher als Urteil bekanntgegeben wird, darauf, was sie als Zeugen ausgesagt haben, was die einzige Wahrheit gewesen ist. Darauf erbaten Klaus von Flüe und Erni Rohrer von ihrem Pfarrer eine Urkunde. Diese wurde ihnen ohne Widerrede gegeben. Zur Beurkundung dieses Prozesses haben wir, die Fünfzehn, den angesehenen weisen Heinrich an der Hirseren, zur Zeit Landammann von Unterwalden ob dem Wald, gebeten, sein Siegel aufzudrücken und das Urteil öffentlich anzuschlagen. Dies habe ich, der oben genannte Landammann, wie von ihnen erbeten und wie es von Amts wegen notwendig ist, getan, was gegeben ist am Donnerstag nach St. Valentin [17. Februar] im Jahre nach der Geburt Christi 1457.
  
b)
[Rekonziliations- und Weiheurkunde, 30. August 1459] Allen Christgläubigen sei kund, dass Frater Johannes, durch Gottes und des Apostolischen Stuhles Gnaden Bischof von Bellinas, Weihbischof des hochwürdigen Vaters in Christo, des Herrn Heinrich, Bischofs von Konstanz, im Jahre 1459, am 30. August, Kirche und Friedhof in Sachseln mit vier Altären geweiht und rekonziliiert hat. Den ersten, den Hochaltar, weihte er zu Ehren des heiligen Mauritius und seiner Gefährten und des heiligen Bischofs und Bekenners Theodul. Den zweiten in der Nische zu Ehren der seligen Jungfrau Maria, Johannes' des Täufers, Johannes' des Evangelisten, der Maria Magdalena, der Jungfrau Katharina und der 11000 Jungfrauen. Den dritten Altar in der Mitte der Kirche zu Ehren des heiligen Kreuzes, aller Apostel und aller Heiligen. Den vierten Altar aber bei der Türe zu Ehren des heiligen Martyrers Christophorus, des Bekenners Aegidius, des Bischofs Nikolaus, des Bekenners Antonius und der heiligen Jungfrauen Dorothea und Otilia.
  
Der Gedenktag der Kirchweihe wird am 2. Sonntag nach Ostern, Misericordia Domini, gefeiert. Er gewährte allen Christgläubigen für jedes Mal, wenn sie mit reuigem Herzen an der Kirchweihe und an den Tagen der genannten Heiligen die Kirche besuchen, Nachlass von 40 Tagen für schwere und von einem Jahr für lässliche Sünden etc.
    
  
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